Der Westen und seine ostasiatischen Verbündeten unter Führung der USA bewegen sich derzeit auf einen Kalten Krieg mit China zu. Dieser Konflikt dürfte schwerer zum Vorteil des Westens zu lösen sein als der Kalte Krieg mit der Sowjetunion. Das Sowjet-Experiment erwies sich wirtschaftlich als Katastrophe. Das lässt sich – zumindest zum jetzigen Zeitpunkt – von China nicht behaupten. Für Autokraten vor allem (aber nicht nur) in Entwicklungsländern bietet Chinas rasche Wirtschaftsentwicklung einen attraktiven Gegenentwurf zu unübersichtlichen, schwerfälligen und auf einer Streitkultur basierenden, liberalen Demokratie.
Im Rahmen der Joint Visiting Speaker Series spricht Ian Buruma über die kulturellen Ursprünge der politischen Propaganda, die ihren Anfang in Singapur and anderen Teilen Südostasiens in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts nahm, und ihre Fortsetzung in Xi Jinpings sogenanntem Chinesischen Traum findet. Die zugrundeliegende Idee ist, dass Asiaten und Chinesen im Besonderen für den Liberalismus nicht geeignet sind. Ihnen sei eine kollektivistische, konfuzianische Kultur gemein (in China heute als »Sozialismus chinesischer Prägung« bezeichnet), die so ganz anders sei als die individualistische Tradition des Westens.
Ian Buruma, Paul W. Williams Professor für Menschenrechte und Journalismus am Bard College in New York, untersucht in seinem Vortrag diese Denkweise auf Grundlage seiner persönlichen Erfahrungen als Journalist in Asien und wagt eine Kritik der Vorstellung, dass die Freiheiten, die die Menschen im Westen als selbstverständlich erachten, in nicht-westlichen Ländern nicht anwendbar sein sollten.
Im Anschluss kommt Ian Buruma mit Daniel Leese, Inhaber der Professur für Sinologie mit dem Schwerpunkt »Geschichte und Politik des Modernen China« an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg ins Gespräch.
Die Veranstaltung findet auf Englisch statt.