Aktuelles
Workshop
Krise der Evidenz?
Am 28. und 29. November 2024 in Köln
Der Workshop nimmt die Problemlagen der vorangegangenen Diskussionen zum Thema „Krise der Steuerungsfähigkeit der Gesellschaft“ im November 2023 und im April 2024 auf, wechselt aber die Fragerichtung.
Der Fokus wird nun weniger auf den strukturell-operativen und zeitlichen Aspekten gesellschaftlicher Interventionen liegen. Vielmehr sollen Fragen des Wissens und der Wissensgeltung im Vordergrund stehen, die gesellschaftliche Arbeitsteilungen in der multiplen Krise behandeln, wo nicht beantworten müssen.
Unsere Leitfrage „Krise der Evidenz?“ zielt dabei einerseits auf die Epistemologie moderner Wissenschaften. Versteht man sie nämlich recht, dann sind sie in diesem Sinne ganz grundsätzlich von einer Krise der Evidenz geprägt: Forschung erhebt Wissensansprüche, die gerade nicht evident sind, sondern vielmehr stets in Frage stehen, begründet werden müssen und eben deshalb anders begründet oder auch bestritten werden können. Auf der anderen Seite scheint unübersehbar – um nicht zu sagen: evident – , dass im öffentlichen Diskurs, aber auch in operativen Bereichen der Gesellschaft immer weniger „sicher“ ist, was als evidenzbasiertes gemeinsames Wissen gelten kann.
Zum Thema des Workshops wird es am 28. November 2024 einen Abendvortrag von Prof. Dr. Peter Strohschneider geben, der auf die Schnittstellen von wissenschaftlicher Evidenz und demokratischer Entscheidungslegitimität eingehen wird.
Öffentlicher Abendvortrag
Evidenz und Politik
Von Peter Strohschneider
Am Donnerstag, den 28. November 2024, um 18:30 Uhr in Köln
Es gehört zu den Selbstverständlichkeiten der modernen Gesellschaft, dass politisches Handeln neben einem Machtbezug stets zugleich auch einen Sachbezug besitze, mindestens besitzen sollte. Was jedoch sachlich überhaupt der Fall sei, dies scheint in den multiplen Krisen der Gegenwart in irritierender Weise strittig (oder auch ‚politisiert‘) werden zu können. Der Klimawandel, seine Menschengemachtheit, Pandemien, die Nützlichkeit des Impfens sind prominente Beispiele für das Strittigwerden von Sachverhalten, die sich eigentlich doch objektiv sollten klären lassen. Eine in der wissenschaftlich-technischen Zivilisation naheliegende Reaktion hierauf sind Programme einer verstärkten ‚Evidenzbasierung‘ der Politik. Follow the science!
Wer dem widersprechen wollte, liefe schnell Gefahr, als Aufklärungsgegner, Wissenschaftsfeindin oder Querdenker stigmatisiert zu werden. Doch was, wenn wissenschaftliche Evidenz gegen die Alltagsgewissheiten demokratischer Mehrheiten steht? Was, wenn die sachkundige Informierung als Determinierung politischer Entscheidungen angelegt oder verstanden wird? Was, wenn Freiheit und Sachrichtigkeit des Entscheidens einander widersprechen?
Die öffentliche Aufarbeitung der Corona-Pandemie behandelt derlei als eine Frage der praktischen Beratung von Politik durch Experten. Tatsächlich führen Programme evidenzbasierter Politik aber mitten hinein in die Spannungslagen der demokratischen Verfassung moderner Wissenschaftsgesellschaften.
Vorangegangene Workshops und Vorträge
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Workshop: Krise der Steuerungsfähigkeit der Gesellschaft II
Krise der Steuerungsfähigkeit der Gesellschaft II
18.04.2024 – 19.04.2024
Der Workshop greift die Problemlagen der vorangegangenen Diskussionen vom November 2023 auf und führt sie in spezifischer Perspektivierung weiter.
Thema des Workshops ist eine vermeintliche „Krise der Steuerungsfähigkeit der Gesellschaft“. Der Workshop greift temporale Aspekte von gesellschaftlicher Steuerung auf. Dabei wird zunächst davon ausgegangen, dass ‚Zeit‘ in unterschiedlichen Konstellationen in unterschiedlicher Weise als Ressource fungiert und dass gesellschaftliche Zeitarrangements historisch kontingent sind.
Schnittstellenfragen von Steuerung unter den Bedingungen gesellschaftlicher Arbeitsteilung lassen sich sodann als Synchronisierungsprobleme formulieren. Die Beiträge des geplanten Workshops werden möglichst unterschiedliche Schnittstellenfragen und Synchronisationsprobleme aufgreifen.
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Öffentlicher Abendvortrag: Die Zeit salzt alle Wunden – von Armin Nassehi
Die Zeit salzt alle Wunden
Synchronisation als ebenso unmögliche wie unvermeidliche AufgabeVon Armin Nassehi
Am Donnerstag, den 18.04.2024, um 18:30 Uhr in Köln
Dass die Zeit alle Wunden heile, setzt eine lineare Zeitvorstellung voraus. Die Idee wäre die des geradlinigen Verlaufs und des Vergehens, der Abschattung in der Vergangenheit und der Distanzierung. In komplexen Systemen – etwa: Gesellschaften – heilt die Zeit keine Wunden, sondern macht besonders auf sie aufmerksam, salzt sie geradezu, hindert sie an der Heilung. Das gilt besonders für Zeitformen, die nicht einfach seriell in einem Nacheinander, sondern parallel in einem Nebeneinander geschaltet sind, die auch noch unterschiedlich schnell und mit unterschiedlichen Rhythmen verlaufen.
Armin Nassehi zeigt in seinem Vortrag, dass es insbesondere die Zeitdimension ist, die Entscheidungsprozesse dann herausfordernder macht, wenn sich nicht alles einlinig in ein übersichtliches Nacheinander fügt. Wenigstens der Vortrag wird linear sein: Er hat einen Anfang, ein Ende und dazwischen vergeht nur eine Zeitform. Ob das dann tröstlich ist, wird sich erweisen.
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Workshop: Krise der Steuerungsfähigkeit der Gesellschaft
Krise der Steuerungsfähigkeit der Gesellschaft
23.11.2023 – 24.11.2023
Der Workshop beschäftigt sich in seiner ersten Sitzung mit einer vermeintlichen »Krise der Steuerungsfähigkeit der Gesellschaft«. Wer von einer solchen Krise spricht (und zwar: nicht als Beobachter solchen Sprechens), der gibt zunächst die Enttäuschung von Steuerbarkeitserwartungen zu erkennen, denen ein wie immer gearteter Eindruck von »Steuerungsfähigkeit der Gesellschaft« zugrunde liegt.
Moderne Gesellschaften zeichnen sich dadurch aus, dass sie intern in verschiedenen Dimensionen und nach verschiedenen Logiken komplex differenziert sind und dass diese Differenziertheit nicht von einem einzelnen Differenzierungsmuster regiert und stabilisiert wird. Der beschreibende Zugriff aufs Ganze, Handeln ›aus einem Guss‹, Versuche einer gesamthaften ›Steuerung‹ scheinen schon aus logischen Gründen streng genommen unmöglich und scheitern an der Komplexität und Kontingenz dieser Gesellschaft.
Für den Arbeitskreis ist die Frage leitend, wie sich die Arrangements gesellschaftlicher Arbeitsteilung einerseits ändern und wie sie sich andererseits auch in bestimmten Richtungen ändern sollten angesichts der gesellschaftlichen Erfahrung vielfältiger Krisen.