Markus Mailopu and the II. Freiburg Moluccan Expedition: Reassembling, reactivating and redistributing ’anthropology’s interlocutors‘ through the archive
Trotz postkolonialer Debatten um ethnographische und archivarische Sammlungen sowie Initiativen zur Provenienzforschung ist der Komplexität ethnographischer Wissensproduktion wenig wissenschaftliche Aufmerksamkeit gewidmet worden. Asymmetrische Machtverhältnisse in der Ethnographie und deren Einfluss auf die Wissensproduktion und -bestände halten bis heute an.
Die Nachlässe der II. Freiburger Molukken-Expedition, die zwischen 1910 und 1912 von den deutschen Wissenschaftlern Karl Deninger, Odo Deodatus Tauern und Erwin Stresemann durchgeführt wurde, sind ein passendes Fallbeispiel, um diese Wechselwirkung zu untersuchen.
Begründet wird dies durch die intensive Beziehung zwischen Expeditionsteilnehmern und Markus Mailopu, einem indigenen Informanten von der Insel Seram im heutigen Indonesien. Mailopu begleitete die Expeditionsteilnehmer nach Deutschland und trug wesentlich zu deren Forschung und damit Wissensformulierung bei.
Indem die Beziehung von Mailopu zu den deutschen Wissenschaftlern und seine Beteiligung an der wissenschaftlichen Wissensproduktion anhand archivalischer, nämlich visueller, schriftlicher und kartographischer, Aufzeichnungen analysiert werden, wird eine methodische Lücke gefüllt und ein Beitrag zu der seit Langem geforderten systematischen Dekolonisierung der Geschichte und Praxis der Anthropologie geleistet. Der methodologischen Dekolonisierung historisch bestehenden Forschungsmaterials und -wissens wird nachgegangen, indem diese Ressourcen interpretativ umverteilt sowie unter Berücksichtigung von Wissenschaftlern, Künstlern, Kulturschaffenden und Aktivisten neu formuliert und durch ihre digitale Visualisierung neu zusammensetzt werden.
In der ersten Projektphase steht das Archivmaterial im Zusammenhang mit der II. Freiburger Molukken-Expedition im Fokus, das heute über verschiedene deutsche Sammlungseinrichtungen (Archive, Museen und Universitäten) verstreut ist. Die kritische Analyse dieser Aufzeichnungen soll die Beziehungen zwischen den Gesprächspartnern der Expedition und deren Einfluss auf die wissenschaftliche Wissensgenerierung aufzeigen. Die Einbettung des Archivs in eine zentrale frei zugängliche Plattform ist in der zweiten Phase vorgesehen. Das neu zusammengestellte Material soll eine Reaktivierung der historischen Verbindung zwischen deutschen und indonesischen Gesprächspartnern in der Gegenwart ermöglichen. In der dritten Phase werden sodann lokale Akteure beteiligt, um ihre Erfahrungen und Erinnerungen zu integrieren.