Förderung Geförderte Vorhaben Die translokale Stadt. Rassistisches Wissen in der Transformation Deutschlands zur Einwanderungsgesellschaft (1945-1999)

Die translokale Stadt. Rassistisches Wissen in der Transformation Deutschlands zur Einwanderungsgesellschaft (1945-1999)

Die Transformation zur Einwanderungsgesellschaft ist ein zentrales Thema der neuesten Geschichte Deutschlands. Dies spiegelt sich jedoch nicht ausreichend in der deutschen Historiographie wider. So hat die Zeitgeschichte bislang weitgehend die Frage vernachlässigt, wie die deutsche Gesellschaft und die Politik angesichts der kolonialen und nationalsozialistischen Vergangenheit(en) und ihren nachwirkenden Präsenzen und Absenzen mit auf Herkunft basierender Differenz im Kontext von Migration und der Wandlung in eine herkunftsdiverse Gesellschaft umgegangen sind.

Dr. Alexopoulou möchte diese Forschungslücke schließen und untersucht rassistisches Wissen in Institutionen, Strukturen, Diskursen und Alltagspraktiken der Bundes­republik Deutschland in einer langfristigen Perspektive, die den Zeitraum von 1945 bis 1999 umfasst. Dabei wird rassistisches Wissen und Rassismus als damit korrespondierendes Phänomen nicht nur als Ideologie oder als Staatspraxis gefasst und ebenso wenig lediglich als Pool individueller Vorurteile oder als rechtsextreme Gewalt definiert. Vielmehr geht es darüber hinaus um ein Set von Wissensbeständen, die mittels verschiedener Transmis­sionswege soziale Realitäten und Ordnungen schaffen.

Seit der Kaiserzeit entwickelten sich, parallel zu den deutsch-völkischen, rassistische Wissensbestände über „Migrationsandere“, die bis 1945 in Deutschland politisch und gesellschaftlich anerkannt waren. Vieles deutet da­rauf hin, dass auch nach der „Stunde Null“ die darin be­gründete Binarität „Deutscher und Ausländer“ wirksam blieb und bis in die 2000er-Jahre hinein Fundament der dominanten Überzeugung war, Deutschland sei kein Einwanderungsland. 1999 bildete insofern eine Zäsur, als hier das Staatsbürgerschaftsrecht von 1913, das allein am Blutsrecht orientiert war, grundlegend refor­miert und damit an die Realität der Einwanderungsge­sellschaft angepasst wurde.

Dem Projekt liegt die Annahme zugrunde, dass in der Bundesrepublik Deutschland rassistische Wissensbe­stände über „Migrationsandere“ als strukturierende Elemente gesellschaftlicher, sozialer und politischer Realitäten weiterwirkten, mittels verschiedener Wis­sensträger – Apparate, Diskurse und Alltagspraktiken – in die Nachkriegszeit transmittiert und in der Folge stetig (re)produziert wurden, was die Binarität „Deutscher und Ausländer“ stabilisierte. Diese Hypothese wird in drei Feldern untersucht. Die Fragestellung lautet jeweils: Wie wurde mit auf Herkunft basierender Differenz im Kontext des Ausländer- und Staatsbürger­schaftsrechts und der entsprechenden Praktiken und Diskurse, in der Frage der politischen Partizipation und im Alltag, im Speziellen mit der Präsenz und den Wohn­anliegen von Migranten umgegangen?

Ausgangspunkt der Untersuchung ist die westdeutsche Industriestadt Mannheim. Der lokalhistorische Zugriff am Beispiel einer Stadt, die stark durch Migration geprägt ist, zeigt behördliche, gesellschaftliche und politische Institutionen, Strukturen, Diskurse, Mindsets und Prak­tiken sowie Akteure in ihren komplexen Zusammenhän­gen und Transformationen. Hier setzen Behörden nach ihrem Ermessen nationales Ausländer- und Einbürge­rungsrecht und Landesverordnungen um und kommunale Akteure handeln politische Partizipationsrechte mit den sich sesshaft machenden Stadtbewohnern aus; hier zeigt sich der „banale“ Rassismus in seinen alltäglichen Formen; hier haben Stadtverwaltungen aber auch die ersten Integrationspolitiken entwickelt und angewandt.

Das Forschungsvorhaben behandelt die neuere deutsche Migrationsgeschichte aus einer postkolonialen, postna­tionalsozialistischen und rassismuskritischen Perspektive als integralen Teil der bundesrepublikanischen Ge­schichte.

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