Zwischen Verwaltungsobjekt und handlungsfähigem Subjekt. Raumkonstituierung, Subjektivierungsprozesse und Handlungsfähigkeit in der bundesdeutschen Flüchtlingsunterbringung
Welche Auswirkungen hat die Qualität der Unterbringung, die Deutschland schutzsuchenden Menschen während des Asylverfahrens zur Verfügung stellt, auf die Bewohner
Im Angesicht der dramatisch gestiegenen Flüchtlingszahlen in den vergangenen Jahren kam es spätestens 2015 in Deutschland mancherorts zu einer Überschreitung von Kapazitätsgrenzen der Flüchtlingsunterkünfte und einer Unterschreitung von Mindeststandards. Das Forschungsvorhaben beschäftigt sich daher mit den Auswirkungen der Qualität der Unterbringung, die Deutschland schutzsuchenden Menschen während des Asylverfahrens zur Verfügung stellt, auf die Bewohner. Aus Perspektive der Geflüchteten werden die Konstituierung des Sozialraums Flüchtlingsunterkunft, die damit verbundenen Formen der Subjektivierung und die Handlungsfähigkeit und -strategien von Geflüchteten analysiert. Unter Subjektivierungsprozessen werden Abläufe der Bildung und Formung der Persönlichkeit verstanden.
Das Projekt behandelt drei aufeinander aufbauende Forschungsfragen. Welche spezifischen Sozialräume werden im Kontext der Flüchtlingsunterbringung erzeugt? Welche Subjektivierungsprozesse werden durch die Art der Raumkonstituierung verursacht? Und wie wirken sich Raumkonstituierung und Subjektivierungsprozesse auf die Handlungsfähigkeit und Handlungsstrategien der Geflüchteten aus?
Einem relationalen Verständnis von Raum folgend versteht Dr. Vey die rechtlich-räumlichen Anordnungen als prägend, räumt dem sozialen Aushandlungs- und Gestaltungsprozessen jedoch ebensolchen Stellenwert ein. Insofern werden im Projekt zentrale Faktoren, die den Sozialraum Flüchtlingsunterkunft konstituieren, identifiziert. Den Ansatz einer »totalen Institution« von Goffmann anwendend, überprüft Dr. Vey, inwiefern eine fehlende Selbstbestimmung in Flüchtlingsunterkünften die Persönlichkeit der Geflüchteten beeinflusst. Durch die Verwehrung oder Einschränkung von Bargeldbesitz, Arbeit, Bewegungsfreiheit und Konsum ist laut bisheriger Forschung die Teilhabe an der bürgerlichen Gesellschaft kaum möglich. Ziel des Projekts ist es, die Konsequenzen der Einschränkung von Handlungsspielräumen in Flüchtlingsunterkünften zu ermitteln. Dr. Vey überprüft zugleich, inwiefern durch Selbstorganisation der Geflüchteten und durch Bemühungen der lokalen Bevölkerung sowie des Heimpersonals eine Erweiterung des Handlungsspielraums der Bewohner ermöglicht wird.