New Aramaic Papyri from Elephantine in Berlin
Die elephantinischen Papyri in aramäischer Sprache stellen das älteste Corpus jüdischen Schrifttums seit dem Fall von Juda (586 v. Chr.) dar.
Die im Nil gelegene Flussinsel Elephantine erstreckt sich unterhalb des ersten Katarakts westlich der heutigen Stadt Assuan und gehört zu den am besten dokumentierten Inseln Ägyptens. An Ort und Stelle wurden zahlreiche Schriftzeugnisse aus der Zeit vom Alten Reich bis nach der arabischen Eroberung gefunden, darunter die im 19. und frühen 20. Jahrhundert von französischen und deutschen Forschern entdeckten Papyri in aramäischer Sprache, die aus der Zeit der persischen Herrschaft in Ägypten stammen (5. Jahrhundert v. Chr.). Die Dokumente berichten von der multiethnischen und multireligiösen Zusammensetzung der dortigen Bevölkerung und informieren über private und wirtschaftliche Lebensverhältnisse in Form von Kauf- und Pachtverträgen, Heiratsurkunden, Inventar- und Steuerlisten etc. Der größte Teil der Papyri bezieht sich auf die Lebensumstände der jüdischen Bevölkerung, auf persische Operationen am südlichen Rand ihres Herrschaftsbereichs und auf das Leben der Ägypter unter dem Einfluss der Fremdherrschaft. Die elephantinischen Papyri in aramäischer Sprache stellen das älteste Corpus jüdischen Schrifttums seit dem Fall von Juda (586 v. Chr.) dar. Im Unterschied zu anderen Schriftzeugnissen jüdischer Provenienz (z. B. Qumranrollen) enthält es auch Informationen über die sozialen und historischen Lebensverhältnisse.
Im Rahmen der Studie analysieren und edieren Prof. Schipper und Prof. Lepper unpublizierte Papyrusfragmente aus Elephantine, die 2014 in einer hölzernen Schachtel im Ägyptischen Museum in Berlin entdeckt wurden. Die Schachtel ist von der Forschung rund 110 Jahre übersehen bzw. ignoriert worden. Inzwischen konnten die Wissenschaftler mit Hilfe eines amerikanischen Konservators erste Fragmente einander zuordnen und lesbar machen. Eines der Fragmente lässt eine unerwartete Lesart der weltberühmten Ahiqar-Erzählung zu und wirft neues Licht auf die Kompositionsweise der aus einer Rahmenhandlung und einer Sammlung von Weisheitssprüchen bestehenden Geschichte. Andere Dokumente informieren über bedeutende jüdische Familien und über die Rolle der Frau in der aramäisch sprechenden Community von Elephantine. Das Fragment eines bislang unbekannten Briefes eröffnet zudem neue Einblicke in den ethnischen Konflikt zwischen den Bewohnern der in Oberägypten gelegenen Hauptstadt Theben und den Juden auf der Insel. Darüber hinaus enthalten die Papyri Beispiele unbekannter aramäischer Schreibpraktiken aus der persischen Periode, die neue Einblicke in die Art und Weise des Schreibens gewähren. Da es sich beim sogenannten Reichsaramäisch um ein unvollständiges Sprachcorpus handelt, können auch kleine Entdeckungen – wie die wiedergefundenen Fragmente in der Holzschachtel – die Grammatik und den Wortschatz der Sprache bereichern.