Max Klinger und seine kunsttheoretische Schrift „Malerei und Zeichnung“ (1891). Wissenschaftlich bearbeitete und kommentierte Neuauflage unter Berücksichtigung der erhaltenen Manuskripte in der Universitätsbibliothek Leipzig
Im Rahmen der Studie erarbeiten Dr. Felix Billeter und Dr. Conny Simone Dietrich eine Neuauflage von Max Klingers (1857–1920) kunsttheoretischer Schrift „Malerei und Zeichnung“ (1891).
Die zu Lebzeiten mehrfach aufgelegte, 46 Druckseiten umfassende Schrift gehört zu den frühen kunsttheoretischen Texten der deutschen Moderne und hat zur internationalen Anerkennung des damals erst 34jährigen Künstlers maßgeblich beigetragen. Bei der Neuedition werden erstmals die Textentwürfe des Künstlers einbezogen, die sich in Form von zwei Manuskriptkonvoluten im Klinger-Nachlass der Universitätsbibliothek Leipzig befinden. Eins davon umfasst 33 gebundene, zum Teil beidseitig und mit zahlreichen Streichungen und Einfügungen beschriebene Kanzleibögen sowie einige kleinere, teilweise aufgeklebte oder zerschnittene Blätter; das zweite Konvolut besteht aus einigen losen Blättern sowie zwei gebundenen Heften, wobei das eine 20 linierte Kanzleibögen und das andere 61 linierte Blätter umfasst. Während eines der Hefte offenbar eine Reinschrift zur Vorbereitung der gedruckten Version darstellt, weisen andere Manuskriptteile lehrbuchartige Gliederungen auf, die sich in der Druckversion so nicht wiederfinden.
Trotz ihrer kunstwissenschaftlichen Bedeutung hat die Schrift im Vergleich zu den Graphiken, Gemälden und Skulpturen des wohl bekanntesten deutschen Symbolisten nur wenig Beachtung in der Forschung gefunden. Eine Neuedition erscheint umso wichtiger, als im Fach Kunstwissenschaft seit geraumer Zeit ein Desinteresse an den eigenen Grundlagen beklagt wird, was sich besonders im Umgang mit Quellen und ihrer oft nicht zureichenden wissenschaftlichen Bearbeitung zeigt. Vor diesem Hintergrund wird im Rahmen der Studie die Entstehungsgeschichte der Schrift neu aufgerollt und u. a. der Frage nachgegangenen, ob Klinger ursprünglich vielleicht ein umfangreicheres Malerei-Traktat nach dem Vorbild des 1882 erstmals in deutscher Übersetzung erschienenen „Trattato della Pittura“ von Leonardo da Vinci geplant hat. Warum änderte er seine Absichten und veröffentlichte schließlich anstelle eines Lehrbuchs einen eher selbstreferentiellen Essay?
Auf Basis der erstmals quellenkritisch auszuwertenden Manuskripte werden die Genese des Textes rekonstruiert und weitere Fragen zu Leben und Werk des Künstlers beantwortet: In welchem Verhältnis stehen Klingers theoretische Überlegungen zu seinen eigenen Arbeiten (Zeichnung, Druckgrafik, Malerei, Plastik)? Was war für ihn der Anlass, sich schriftlich zu äußern und wie sind Klingers Überlegungen zu den verschiedenen Ästhetiken der einzelnen Gattungen im Kontext der zeitgenössischen Kunsttheorie einzuordnen? Von wem wurde Klingers Position rezipiert, aufgegriffen oder auch abgelehnt? Welche Künstler beriefen sich zeitgleich oder später auf seine Theorien?
Die Ergebnisse dieser Untersuchungen bilden die Grundlage für die wissenschaftliche Kommentierung von Klingers Schrift sowie für die Dokumentationen und Textbeiträge. Die kommentierte und wissenschaftlich bearbeitete Neuedition wird in der Reihe der Quellenschriften des 19. Jahrhunderts des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft erscheinen.