Funding Funded Projects Geopolitische Raum- und Identitätskonstruktionen im Kontext des islamischen Terrorismus − Eine politisch-geographische Analyse deutscher Staatsschutzverfahren im Zusammenhang mit dem syrischen Bürgerkrieg

Geopolitische Raum- und Identitätskonstruktionen im Kontext des islamischen Terrorismus − Eine politisch-geographische Analyse deutscher Staatsschutzverfahren im Zusammenhang mit dem syrischen Bürgerkrieg

Kulturelle, insbesondere religiöse, Differenzen nehmen als geopolitische Leitbilder seit Ende des Kalten Krieges eine gewichtigere Rolle in der Deutung der internationalen Ordnung ein. Die Perspektive eines ‚Kampfes der Kulturen’ wird dabei gerade durch den internationalen Terrorismus provoziert, mit dessen Bedrohungsszenarien sich auch die westlichen Gesellschaften auseinandersetzen müssen.

Prof. Reuber untersucht daher die geopolitischen Identitäts­konstruktionen am Fallbeispiel von Staatsschutzverfah­ren an deutschen Oberlandesgerichten im Bereich des islamistischen Terrorismus. In diesen stark strukturierten und formalisierten Verfahren müssen Ge­richte, trotz ihrer gesetzlichen Verpflichtung auf die Wahrheit, immer auch eine Interpretation der gesell­schaftlichen Konflikte, des Eigenen und des Fremden, vornehmen.

Gegenstand der Studie sind zwei Arten von Staatsschutzverfahren. Zum einen werden Verfahren gegen in Deutschland lebende Menschen untersucht, die als radi­kalisierte Muslime in die Kriegs- und Krisengebiete des Nahen und Mittleren Ostens ausgereist sind, um dort aktiv an gewalttätigen Auseinandersetzungen teilzuneh­men. Deren Zahl wird vom Bundeskriminalamt auf etwa 960 geschätzt, von denen circa ein Drittel inzwischen nach Deutschland zurückgekehrt ist. Bei hinreichenden Verdachtsmomenten wird gegen diese Rückkehrer ein Staatsschutzverfahren eingeleitet. Zum anderen werden seit 2017 auch syrische Staatsbürger an deut­schen Gerichten zur Verantwortung gezogen, die als Flüchtlinge nach Deutschland gelangt sind und im Ver­dacht stehen, Anschlagspläne in Deutschland zu verfol­gen.

Zwei zentrale Forschungsfragen definieren das Ziel der Studie: Welche geopolitischen bzw. geokul­turellen Ordnungsvorstellungen des Eigenen und des Fremden werden von Gerichten in Staatsschutzprozes­sen gegen islamistische Terroristen herangezogen, akti­viert und reproduziert? Welche kulturräumlichen Deu­tungsmuster lassen sich auf Seiten der Angeklagten und ihrer Verteidiger beobachten?

Es werden zwölf Verfahren gegen deutsche sowie acht Verfahren gegen syrische Mitglieder und Unterstützer ausländischer terroristischer Vereinigungen untersucht. Da je Verfahren mit jeweils etwa 20 Prozesstagen zu rechnen ist, entsteht ein umfangreiches Datenmaterial. Die ausgiebige Dokumentation der Gerichtsverfahren wird kontinuierlich (re-)sortiert und (re-)interpretiert sowie abschließend durch qualitative Techniken der Dis­kurs- und Aktenanalyse ausgewertet. Als Ergebnis der Untersuchung wird ein besseres Ver­ständnis der Konstitution des Rechtssubjekts ‚islamisti­scher Terrorist’ aus Perspektive der Gerichte sowie der Angeklagten angestrebt.

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