Funding Funded Projects A Digital Corpus of the Issyk-Kushan Inscriptions

A Digital Corpus of the Issyk-Kushan Inscriptions

In einem Gebiet, das sich vom kasachischen Ili-Tal bis in den südlichen Hindukusch erstreckt, wurden bei archäologischen Ausgrabungen seit Ende der 1950er Jahre mehrere Dutzend Inschriften in einem nicht entzifferten Schriftsystem entdeckt, das man später als „Unbekannte Schrift“ bezeichnete.

Die meisten Funde dieser Art konnten zwischen dem Hissar-Gebirge (Usbekistan/Tadschikistan) und dem Fluss Amudarja (i. d. Antike: Oxus) ausgemacht, in die Zeit zwischen dem 2. Jahrhundert v. Chr. und dem 3. Jahrhundert n. Chr. datiert und dem historischen Baktrien zugeordnet werden. Ein Team um Dr. Bonmann und Dr. Halfmann hat 2022/23 Licht in das Dunkel der „Unbekannten Schrift“ bringen und das Schriftsystem teilweise entschlüsseln können. Auf der Grundlage einer Verbreitungsanalyse, eines systematischen Zeichenkata­logs und eines Vergleichs von Zeichenfolgen zweier mehrsprachiger Inschriften konnten plausible phoneti­sche Werte für mehrere Zeichen der unbekannten Schrift ersetzt werden. Dabei wurde die in der tadschikischen Almosi-Schlucht kürzlich aufgefundene zweisprachige Inschrift (Almosi-bilingual) mit der um 1960 unweit von Kabul entdeckten dreisprachigen Inschrift (Dašt-i Nāwur Trilingual) abgeglichen. Die vorläufigen Untersuchungs­ergebnisse legen nahe, dass die Schrift zumindest im Bereich ihrer Fundorte (Almo­si/Tadschikistan, Dašt-i Nāwur/Afghanistan) zur Auf­zeichnung einer bisher unbekannten mitteliranischen Sprache gedient haben könnte.

Dr. Bonmann und Dr. Halfmann haben der neu identifizierten Sprache den provisorischen Nahem „Eteo-Tocharisch“ gegeben, wobei sie sich auf die in antiken Quellen be­schriebenen Tocharer beziehen, ein zentralasiatisches Volk, von dem Autoren wie Strabon nur vage Kenntnisse hatten. Für die vormals „Unbekannte Schrift“ wurde der Name „Issyk-Kuschan-Schrift“ vorgeschlagen, da ihr Zu­sammenhang mit der Kuschan-Dynastie unbestreitbar ist und in Verbindung mit einem Schriftzeugnis steht, das 1969 unweit von Almaty bei der Ausgrabung eines Grabhügels aus dem 4./3. Jahrhundert v. Chr. entdeckt wurde. Dabei handelt es sich um eine Silberschale, an deren Unterseite sich unbe­kannte Schriftzeichen der sogenannten Issyk-Schrift be­finden. Mit Hilfe einer neu entdeckten dreisprachigen In­schrift aus Sokotra, eine jemenitische Inselgruppe im in­dischen Ozean, konnte die Entzifferung einiger Lautwerte unabhängig bestätigt werden, was darauf hindeutet, dass die von Dr. Bonmann und Dr. Halfmann vorgelegten Ergebnisse offenbar nicht auf einen Zirkelschluss oder einen Zufall zurückzuführen sind. Vielmehr dürfte es sich um die erste erfolgreiche Entzifferung eines Schriftsystems seit 70 Jahren handeln.

Das Projekt hat ein zweiteiliges Arbeitsprogramm, bei dem sich Forschungsaufenthalte in Zentralasien mit Analyse- und Auswertungsphasen in Deutschland abwechseln. Die Forschungsaufenthalte dienen der Erfassung von Daten aus erster Hand, sowohl zu bereits identifiziertem In­schriftenmaterial in zentralasiatischen Museumssamm­lungen als auch zu möglichen weiteren vielversprechen­den Fundstellen (rund 20 Inschriften/Stellen in Tadschi­kistan, Usbekistan, Afghanistan, Kasachstan, Jemen). Während die aktuellen politischen Umstände keine Forschungsaufenthalte in Afghanistan zulassen, dienen Reisen nach Kasachstan, Usbekistan und Tadschikistan dazu, bereits identifizierte Objekte persönlich zu inspizieren und zu dokumentieren.

Die Studie dient dazu, die Erforschung der Issyk-Kushan-Schrift zu ver­tiefen, die Arbeit an der z. T. bereits gelungenen Entziffe­rung des Schriftsystems fortzusetzen und eine digitale Edi­tion aller Issyk-Kushan-Inschriften zu erstellen. Dabei erarbeiten Dr. Bonmann und Dr. Halfmann eine komplette Sammlung der eteo-tocharischen Quellentexte mit Katalog und etymologischem Wörter­buch der eteo-tocharischen Sprache. Ferner suchen sie in Kooperation mit zentralasiatischen Archäologen nach neuen Inschriften, um das lnschriftenkorpus nach Möglichkeit um bedeutende Neufunde zu erweitern. In diesem Zusammenhang hat der Kooperationspartner von der Tadschikischen Akademie der Wissenschaften mehrere aussichtsreiche Fundplätze lokalisiert, etwa einen Ort im Hissar-Gebirge namens Sang-i Navista („be­schriebener Fels“).

Die digitale Erschließung, Sicherung und Erforschung bereits bekannter lssyk-Kuschana-lnschriften in Kombination mit einer Exploration potenti­eller neuer Fundstätten bietet die Chance, mehr über die linguistische Frühgeschichte Zentralasiens zu erfahren und die Issyk-Kuscha-Schrift vollständig zu entziffern.

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