Förderung Geförderte Vorhaben Memoria in der Megacity: Erinnerung und Urbanität in Lateinamerika

Memoria in der Megacity: Erinnerung und Urbanität in Lateinamerika

Geschichte in Stein gemeiselt – wie und wo lagert sich „Geschichte“ kulturell und räumlich in Städten ab? Und inwieweit wirkt sie sich auf die politische Landschaft und die urbane Öffentlichkeit aus?

Den o. g. Fragen widmet sich das Forschungsprojekt von Prof. Marianne Braig des Lateinamerika-Instituts an der Freien Universität Berlin. Wissenschaftliche Mitarbeiterin ist Dr. Anne Huffschmid. Das Projekt wurde bereits zwei Jahre durch die Fritz Thyssen Stiftung gefördert. Innerhalb eines weiteren Jahres soll die Betrachtung nun durch die Ebene der transnationalen Verflechtungen erweitert werden.
Gegenstand der Untersuchung sind aktuelle Erinnerungsprojekte und -praktiken im städtischen Raum und deren Auswirkungen auf die politische Topografie. Am Beispiel der Megacities Mexiko-Stadt und Buenos Aires als zwei Pole lateinamerikanischer Geschichtskultur werden historische Erinnerungen verglichen.
Nach Ende der letzten Militärdiktatur 1983 kam es in Argentinien zu einer weitreichenden öffentlichen Diskussion über Staatsterrorismus und Straflosigkeit. Die Einrichtung von Erinnerungsorten in ehemals militärisch geprägten Institutionen in Buenos Aires macht die jüngere politische Geschichte bereits sichtbar. Zudem ist Buenos Aires der zentrale Schauplatz der wohl bekanntesten Erinnerungsakteure Lateinamerikas, der Mütter der Plaza de Mayo. Seit über dreißig Jahren gedenken sie öffentlich allwöchentlich ihrer von der Militärdiktatur verschleppten Kinder. Dieses Ritual urbaner und politischer Praxis ist längst im Stadtgedächtnis installiert.
In Mexiko hingegen führte das seit Ende der mexikanischen Revolution bis zur Jahrtausendwende herrschende Machtmonopol der autoritären „Institutionell-revolutionären Partei“ PRI zu einer Vorstellung politischer Kontinuität und Stabilität, in der politische Bruchstellen schnell neutralisiert und oppositionelle Politik kooptiert wird.
Tief in das Gedächtnis von Mexiko-Stadt verankert scheint der Massenmord an Studierenden im Oktober 1968. Bis heute finden am Jahrestag regelmäßig Protestmärsche zum Gedenken an das blutige Massaker statt. Darüber hinaus entstand an diesem Ort 2007 eine multimediale Gedenkstätte für die 1968er-Bewegung.
Beide Metropolen schauen auf eine koloniale Vergangenheit zurück. Trotzdem sind sie durch unterschiedliche historische „Identitätsdiskurse“ geprägt: Durch die massive Ansiedlung europäischer Migranten und die weitreichende Ermordung der Ureinwohner erfährt Buenos Aires Ende des 19. Jahrhunderts eine kulturelle „Stunde Null“. In Mexiko hingegen fand – der offiziellen Geschichtsschreibung zufolge – keine Verdrängung der Conquista statt, sondern wurde nach und nach im Mythos der Mestizierung institutionalisiert sowie in der Revolution fortgeschrieben.
Wie ist nun das kulturelle Gedächtnis beider Städte durch ihre Erinnerungsprojekte geprägt und wie wird es sich verändern? Welche Wirkungen entfalten diese Projekte auf Öffentlichkeit und Privatheit, den politischen Raum oder auf die Geschlechterbilder?
Mit Beantwortung dieser Fragen sollen auch die transnationalen Verflechtungen analysiert werden.

Weiterführende Informationen zum Forschungsprojekt finden Sie unter:
http://www.lai.fu-berlin.de/forschung/forschungsprojekte/aktuelle_projekte/Memoria_in_der_Megacity/index.html

Die Publikation erschien 2015 im Springer-Verlag: www.springer.com/de/book/9783658075590

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